Positionspapier

Was sind die Erfolgsfaktoren für eine regionale Wasserstoffwirtschaft in Nordostniedersachsen? In einem gemeinsamen Positionspapier haben sich die Mitglieder des Wasserstoffnetzwerks H2.N.O.N im März 2022 auf Grundsätze für einen nachhaltigen und effizienten Wasserstoffhochlauf in der Region Nordostniedersachsen geeinigt. Dieses Positionspapier richtet sich an alle Entscheidungsträger in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft.

Wichtiger Teil ist dabei ist, die den norddeutschen Raum als Erzeugerland erneuerbarer Energien herauszustellen und die nachfolgende Wertschöpfung in der Region zu fördern.

Dabei rückt H2.N.O.N die spezifischen Stärken des Amtsbezirks
Lüneburg in den Fokus:

  • Im Bereich erneuerbarer Energien, insbesondere Windkraft, Biomasse, Photovoltaik hat sich der Amtsbezirk Lüneburg schon früh zu einer Erzeugerregion entwickelt
  • Transportleitungen für Strom und Gas sowie entsprechende Transportinfrastruktur wie Seehäfen, Bahn und Autobahn sind in der Fläche vorhanden
  • Vorhandene Salzkavernen als potenzielle Standorte großer Gasspeicher
  • Energieimporte über die Hafenstandorte („H2-Readiness“: Realisierung eines LNG-Terminals in Stade)
  • technologische Spitzenstellungen von lokalen Unternehmen
  • ausgeprägter Schwerpunkt der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft
  • etablierte Strukturen in der Zusammenarbeit von Kommunen und des Technologietransfers

Ein Einblick in Positionen des Wasserstoffnetzwerks Nordostniedersachsen

Angebotsseite

Windkraftanlage
Foto: Waldemar Brandt/Unsplash

Wasserstofferzeugung

Langfristig ist klimaneutraler Grüner Wasserstoff, der aus Windkraft, Photovoltaik oder Biomasse gewonnen wird, das Ziel. Eine Wasserstofferzeugung, bei der Treibhausgase freigesetzt werden, kann als Übergangslösung dienen.

Hafen Terminal
Foto: Moritz Kindler/Unsplash

Wasserstoff-Import

Energieimporte nach Deutschland werden auch zukünftig nötig sein. Die Nutzung von über Seehäfen eingeführtem Wasserstoff – oder die Umwandlung von eingeführten Trägerstoffen, wie Ammoniak oder Methanol, bieten eine Chance zur Wertschöpfung in der Region.

Nachfrageseite

Stromversorgung
Foto: American Public Power Association/Unsplash

Elektrische Zukunft

Die Umstellung auf Strom in vielen Bereichen ist alternativlos, um Treibhausgasemissionen zu vermeiden. Bei Autos und dem Einsatz von Wärmepumpen für Gebäude findet die Umstellung bereits statt. Andere Bereiche, wie die Stahl- oder Düngemittelproduktion könnten folgen. H2.N.O.N berücksichtigt dabei stets das aktuelle Energieangebot und mögliche Rückwirkungen auf das Energiesystem.

Foto: iStock/Scharfsinn86

H2 im Verkehr

Das Leitprojekt „Lastverkehr
mit grünem Wasserstoff
“ (Future Mobility) zielt auf einen nachhaltigen Lastverkehr in Nordostniedersachsen. H2.N.O.N will zudem die Betriebe des ÖPNV im Amtsbezirk Lüneburg für Wasserstoff-Antriebe gewinnen.

Ab 2022 werden 14 Wasserstoffzüge
alte Dieseltriebzüge der evb im Regelbetrieb ersetzen. Dies kann ein interessanter Ansatz für die Umstellung nichtelektrifizierter
Bahnstrecken auf Züge mit alternativen Antrieben sein.

Foto: Armo Senoner/Unsplash

Regionale Industrie als Anweder

Die Chemie-, Zement- und Papierindustrie der Region verfügt über interessante Anwendungspotenziale für H2.

Eine Sonderstellung
nimmt hierbei die Firma Dow Deutschland Anlagengesellschaft mbH ein, bei der aktuell bereits große Mengen
an Wasserstoff als Nebenprodukt aus der Grund- und Spezialchemie entstehen.

Öffentliche Beschaffungen und Eigenbetriebe sollen bei der H2-Nutzung eine Vorbildrolle einnehmen.

Wohngebiet
Foto: Paul Hanaoka/Unsplash

Wasserstoff für Gebäude

Im Gebäudebereich ist künftig im Hinblick auf Wärme und Stromversorgung von einem Technologiemix auszugehen. Wasserstoff kann auf verschiedenen Wegen eingesetzt werden: Zuführung über reine H2-Gasleitungen und Nutzung in Brennstoffzellensystemen, als Beimischung ins vorhandene Erdgasnetz und Nutzung in Gasbrennern sowie in dezentralen Wasserstoffsystemen mit EE-Erzeugungsanlagen und Elektrolyseur. Auch für größere Notstromversorgungen (z. B. Krankenhäuser) wird Wasserstoff immer interessanter, da gegenüber batterieversorgten Anlagen ein schnellerer Hochlauf möglich ist.

Technologische Rahmenbedingungen

Foto: Thisisengineering-raeng/Unsplash

Forschung

Von dem auf Wasserstofftechnologien ausgerichteten Innovations- und Technologiezentrum (ITZ) für die Luftfahrt und die Schifffahrt mit seinem Standort u. a. in Stade können hier wichtige Innovationsimpulse erwartet werden. Bis Ende 2024 stehen für die ITZ-Standorte in Norddeutschland bis zu 70 Mio. Euro vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) zur Verfügung. H2.N.O.N unterstützt die Aktivitäten zum Aufbau des ITZ ausdrücklich, da die Förderung derartiger Demonstrationsprojekte zur Unterstützung des Markthochlaufs und zur Etablierung eines Heimatmarktes mit internationaler Ausstrahlung maßgeblich beiträgt.

Foto: theblowup/Unspslash

H2 im Erdgasnetz

Ab dem Zeitpunkt, wenn ausreichend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, könnte die Einspeisung in das bestehende Erdgasnetz eine interessante Nutzungs- und Transportoption darstellen. Hierzu müsste das Erdgasnetz jedoch technisch ertüchtigt werden. Zentrale Entwicklungsthemen sind hierbei die Dichtungs-, Mess- und Regel- sowie die Brennertechnik. H2.N.O.N kooperiert mit dem ZIM-geförderten Innovationsnetzwerk „The H2Network“, das sich mit diesen Themen intensiv auseinandersetzt.

Infrastrukturelle Rahmenbedingungen

Wasserstoffwirtschaft in Nordostniedersachsen
Keimzellen der Wasserstoffwirtschaft

H2Regio-Hubs

Mit dem „H2Regio-Hub-Strategieansatz“ derzeit H2-Wertschöpfungsketten in den 11 Landkreisen der Region Nordostniedersachen entwickelt. Hierbei geht es darum, ein Matching zwischen Angebot, Infrastruktur und Nachfrage für grünen Wasserstoff zu erreichen. Mit diesem Mikro-Hub-Ansatz entwickelt die Region Nordostniedersachsen in Bottom-up-Prozessen regionale Basisinfrastrukturen für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft.

Pipelines
Foto: Jacek Dylag/Unsplash

Gasnetz-Ausbau

Der Ausbau der Gasfernleitungsinfrastruktur bildet eine Grundvoraussetzung, um grünen Wasserstoff in größeren Mengen
zu industriellen Produktionsstandorten in Deutschland (z. B. im Ruhrgebiet) transportieren zu können.

Auch die Ertüchtigung regionaler Hafenstandorte (insb. Stade)
für den Import von Wasserstoff spielt eine wichtige Rolle und sollte zeitnah forciert werden. Als Vorbereitung hierauf
sollte neben den Standorten Wilhelmshaven und Brunsbüttel in Stade ebenfalls möglichst zeitnah ein LNG-Terminal
realisiert werden, um erforderliche Kapazitäten für die Versorgungssicherheit zu schaffen.

iStock/audioundwerbung

H2-Speicherung

Im Sinne der Systemdienlichkeit sollte bei der H2-Erzeugung vorzugsweise eine Verknüpfung mit Speicheransätzen
wie bspw. Batteriespeichern, Wasserstofftechniken oder nachhaltiger Energieträgererzeugung obligatorisch werden.
Im Hinblick auf notwendige Kavernenspeicher für die längerfristige Speicherung großer Mengen von (grünem) Wasserstoff
verfügt die Region Nordostniedersachsen über besondere Potenziale, die es zu nutzen und weiter auszubauen gilt.

Normative Rahmenbedingungen

Um einen nachhaltigen und effizienten Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Nordostniedersachsen zu forcieren, setzt sich H2.N.O.N für fördernde Rahmenbedingungen ein:

  • Die CO2-Bepreisung sollte sich neben Klimaschutzzielen immer auch an den technischen Möglichkeiten orientieren; sobald klimaneutrale Technologien zur direkten oder indirekten Elektrifizierung sicher verfügbar sind, müssen sich deren Einführungskosten in der zusätzlichen Bepreisung konventioneller, fossiler Alternativen niederschlagen.
  • Die Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft ist eingebettet in übergeordnete regulatorische Rahmenbedingungen und Genehmigungsprozesse, z. B. im Hinblick auf die Realisierung neuer Windkraftanlagen oder das Repowering bestehender Anlagen, die für die Produktion von grünem Wasserstoff benötigt werden. Hier gilt es, gemeinsam Lösungsansätze zu finden, um Genehmigungsprozesse zu beschleunigen. Zusätzlich bedarf es möglichst schneller und einfacher Genehmigungsverfahren für die Wasserstoffinfrastrukturen (Elektrolyse, Tankstellen).
  • Um den technologischen Wettstreit zur Elektrifizierung des Energiesystems nicht durch unausgeglichene Fördermaßnahmen zu verzerren, sollte darauf gedrungen werden, dass Förderprogramme in der ganzen Wertschöpfungskette technologieoffen zu gestalten sind. Das Missverhältnis zeigt sich immer dort, wo die Infrastrukturkosten nicht gesondert betrachtet werden: Eine Wasserstofftankstelle bspw. muss meist extra finanziert werden, wohingegen die Kosten eines verstärkten Stromanschlusses und die Netzbalance durch die allgemeinen Netzentgelte sozialisiert werden. Bei der Ausgestaltung von Förderprogrammen sollte zudem darauf geachtet werden, dass möglichst auch eine hohe Wertschöpfung in der Region realisiert werden kann.

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen

Gesellschaftliche Akzeptanz

Die bestehenden fossilen Energieträger haben aktuell den Vorteil, im Markt etabliert und einfach in der Handhabung zu sein. Im Hinblick auf die Akzeptanz ist es von entscheidender Bedeutung, dass das oberste Ziel auf grünem Wasserstoff liegt. Abei sollte aus den Erfahrungen mit Akzeptanzproblemen, die teilweise im Windkraftbereich vorkommen, gelernt werden.

Ingenieurin bei der Arbeit
Foto: Thisisengineering-raeng/Unsplash

Qualifizierung und Fachkräfte

Mit dem Markthochlauf im Bereich Wasserstoff sind große Umstrukturierungs- und Anpassungsprozesse verbunden,
die auch den Fachkräfte– und Qualifizierungsbereich betreffen.

Mit diesen Fragestellungen beschäftigt sich das Projekt „H2Skills“, welches in Nordostniedersachsen von der IHK Lüneburg-
Wolfsburg
gemeinsam mit der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade umgesetzt wird. Das Wasserstoffnetzwerk
Nordostniedersachsen hat die Bedeutung der künftigen Qualifizierungsbedarfe im H2-Bereich frühzeitig erkannt
und dieses fachkräftebündnisübergreifende Projekt zur Fachkräftesicherung und -entwicklung in der Wasserstoffwirtschaft
im Amtsbezirk Lüneburg mitentwickelt und kooperiert eng im Rahmen der Umsetzung.